Nun bin ich 35 Jahre alt. Wieder ein Jahr ist vergangen und es hat sich nichts getan. Mein Nachname hat sich nicht geändert, mein Beziehungsstatus ist noch immer „single“.

Ich habe gebetet, meine Freunde haben gebetet. Ich habe online gesucht, ich habe offline gesucht. Nichts. Hoffnungslos?

Gerade ist Summer Sale – auch wenn ich schon genug Kleider Schrank habe, war ich angesteckt. So oft hab ich Frauen in schönen Sommerkleidern gesehen – ich wollte auch ein schönes neues Kleid haben.

Also begab ich mich auf die Mission „Sommerkleid“ – top motiviert. 4 Stunden und etliche Kleider später war meine Motivation einer großen Frustration gewichen. Denn irgendwie schien kein Kleid so richtig zu passen. Oft stand ich vor der Wahl jetzt einfach ein nicht ganz passendes zu nehmen oder weiter zu suchen.

Peinlichkeiten bei ersten Dates. Da fallen mir gleich mehrere ein. Etwas Dummes sagen, Krümel auf der Bluse, Salat zwischen den Zähnen und und und. Für mich jedoch die Königin unter den Peinlichkeiten? Die Begrüßung.

Soll ich ihm die Hand geben … oder ihn gar umarmen? Diese Fragen haben mich wieder einmal beschäftigt, vor meinem ersten Date mit Robert. Wir kennen uns ein bisschen – wie man sich eben aus vielen virtuellen Nachrichten kennen kann. Also nicht wirklich.

Nervös komme ich am verabredeten Restaurant an. Da steht er schon – Robert. Wird er mich überhaupt erkennen? Ich meine Foto und Realität – das kennen wir ja von Facebook – sind nicht immer das Gleiche. Doch, er sieht mich und lächelt sogar. Er scheint mindestens genauso nervös zu sein wie ich.

Und dann kommt er, der historisch-peinliche Moment – die Begrüßung. Er streckt mir die Hand entgegen, die ich sichtlich erleichtert ergreife. Sehr gut. Während ich noch versuche, die richtige Stärke meines Händedrucks zu ermitteln, geht er einen Schritt auf mich zu. Was wird denn das jetzt, ruft meine innere Schaltzentrale panisch – eine unbekannte Reaktion, nicht einzuordnen. Was tun? Reflexartig trete ich einen Schritt auf ihn zu. Das scheint kein gewöhnlicher Händedruck zu werden, sondern eher ein Hug-Shake. Ein Handschütteln kombiniert mit einer Umarmung. Dieser Kompromiss, mit dem man versucht aus unsicheren Begrüßungssituationen zu entkommen.

Im vorliegenden Fall, ging das allerdings gehörig schief. Denn statt einem Hug Shake wollte der gute Mann einfach nur auf die Tür zu gehen. Er macht also einen Schritt auf mich zu und ich auf ihn … Da waren unsere Schaltzentralen wohl nicht gut synchronisiert. Diese Asynchronität führte dazu, dass meine Gesicht mit Schwung an seiner Brust landete. Wow, so schnell, hab ich das nicht erwartet. Wortlos lösen wir uns aus der unfreiwilligen Umarmung und sind plötzlich wieder voll synchron – wir wollen beide in einem Loch versinken.

„She said yes!“, schreibt eine meiner Freunde auf Instagram und postet ein wunderschönes Foto, Sonnenuntergangsstimmung, Kniefall und Diamantring – das volle Programm.

„It’s a boy!“, postet kurz darauf eine Freundin – Gender Rreveal Parties sind anscheinend gerade der große Renner.

Wenn ich solche Posts lese, erlebe ich in mir immer einen wundersamen Cocktail von Emotionen:

  • 6 cl Freude
  • 4 cl Neugier nach den Details
  • 4 cl Neid
  • 2 cl Bitterkeit
  • 1 cl Hoffnungslosigkeit

Wie kann es sein, dass scheinbar die ganze Welt um mich herum heiratet, in eine neue Beziehung startet oder schwanger wird – nur ich werde ausgelassen. Wie beim Arzt, wo alle im Wartezimmer aufgerufen werden, nur ich bleibe sitzen. Irgendwie fühle ich mich dann vergessen. Ich möchte mich in meinem Bett verstecken und meine Träume und Wünsche gleich mit dazu.

An guten Tagen rufe ich mir in solchen Momenten die Wahrheit ins Herz, dass Gott für mich sorgt, dass seine Pläne gut sind für mich und, dass er mein Versorger ist. Ich erinnere mich daran, dass weder ein Partner noch ein Kind die Leere in mir wirklich füllen kann. Ich versuche dankbar zu sein, für all die Dinge, die ich einfach tun kann, weil ich ungebunden bin. Und all das hilft! All das ist wahr! Halleluja!

Aber dann gibt es da die weniger guten Tage, wo mir das sehr sehr schwer fällt.

Je, länger ich aber in diesem Spannungsfeld zwischen Herzenswünschen und unerfüllten Versprechen stehe, desto mehr glaube ich, dass der Schmerz nie ganz weggehen wird. Die Trauer über meinr nicht geborenen Kinder, über meine nicht gelebte Beziehung und über all das, was sein könnte. Und ich glaube immer mehr, dass es auch in Ordnung ist, wenn da etwas in mir bleibt, das schmerzt.

Wichtig ist, dass es nicht überhandnimmt und ich eine Mauer aus Bitterkeit und Neid um mein Herz baue.

Ich habe neulich einen sehr herausfordernden Bibelvers gelesen:

Fill my heart with joy when their grain and new wine abound.

Psalm 4:7 (NIV)

In der Agnes Übersetzung heißt das:

Füll mein Herz mit Freude, wenn es anderen gut geht. Hilf mir mich für, die zu freuen, deren Beziehung gelingt und für die, deren Kinder gesund geboren werden. Auch, wenn das bei mir gerade (noch) nicht so passiert.

Ganz ehrlich? Das fordert mich sehr heraus! Denn ich will manchmal bitter sein und mich von dem dunklen Nebel der Enttäuschung einlullen lassen. Aber ich glaube, ein Leben in Fülle sieht anders aus.

Doch, wie komme ich denn zu diesem Leben in Fülle?

Lasst uns dafür nochmal genau hinschauen. David, der den Psalm geschrieben hat, bittet Gott hier, dass er sein Herz mit Freude füllt. Er sagt nicht „Ich muss jetzt froh sein!“, sondern er wendet sich mit seiner Not an Gott. Und genau das dürfen wir auch tun.

Ich habe lange Zeit gedacht, dass ich „halt drüber wegkommen muss“. Ich glaube doch an Gott, darum haben Zweifel, Enttäuschung und Schmerz keinen Platz in meinem Leben, oder? Also hab ich meinen Schmerz mit mir selber ausgemacht, meine Enttäuschung runtergeschluckt und geschwiegen. Bis ich einmal beim Beten folgenden Gedanken hatte:

„Agnes, du kannst mit allem zu mir kommen! Schrei mich an, klage mich an, aber bitte hör nicht auf mit mir zu reden!“

Das hat mein Gebetsleben und meine Beziehung zu Jesus radikal verändert. Nun weiß ich, in solchen Momenten, wo sich das Korn in den Scheunen der anderen stapelt und meine Scheune leer ist: Gott ist bei mir. Er trägt mich durch den Schmerz und ich kann Ihm mein Herz ausschütten.

Was hat dich angesprochen? Gibt es einen Lebensbereich, in dem du dir etwas wünscht, das anscheinend alle um dich herum haben? Du kannst Jesus deine Wünsche sagen. Er lehnt dich nicht ab, er nimmt deine Gefühle ernst. Du glaubst es nicht? Probier es doch einfach mal aus!